Den Teufelskreis der Fremdbestimmung am Arbeitsplatz durchbrechen
Fremdbestimmung ist der Ausgangspunkt für viel Leid in unserer Zeit. Menschen fühlen sich gestresst, werden unter Druck gesetzt und körperliche Schmerzen bzw. Krankheit können die Folge sein - Depression und Burnout lassen grüßen.
Enge Zeitpläne, wenig Freiraum für individuelle Gestaltungsmöglichkeiten und zu viele Anforderungen von Vorgesetzten und Kunden lassen das Gefühl der Ohnmacht und Fremdbestimmung in uns hochsteigen.
Zusätzlich gibt es auch noch die Anforderungen und Erwartungshaltung an uns selbst, die den Stresspegel höher steigen lassen. Diese sind auf den ersten Blick auch nicht so leicht zu erkennen und verstärken deshalb das Gefühl der Fremdbestimmung. Ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt.
Warum braucht es mehr Selbstbestimmung?
Um seelisch gesund zu bleiben, brauchen wir die Selbstbestimmung. Wir Menschen sind einzigartige Individuen und eine Einschränkung der Freiheit und Autonomie bedeutet für uns langfristig Krankheit. Nicht umsonst nehmen die Zahlen der seelischen Krankheiten in unserer Zeit unaufhaltsam zu. Denn Abhängigkeit macht krank.
Den Wurzeln der Fremdbestimmung auf den Grund gehen
Unser ganzes Leben werden wir mit Informationen gefüttert. Schon während unserer Kindheit saugen wir alles wie der vielbesagte Schwamm auf. Wir beobachten alles und jeden und beginnen alles nachzuahmen. Wir werden eingebettet in gesellschaftliche Normen und Verhaltensweisen. Auch in Unternehmen und am Arbeitsplatz unterwerfen wir uns den Normen und die Fremdbestimmung nimmt überhand. Genau diese gilt es aufzuspüren. Denn der erste Schritt zur Besserung ist die Wahrnehmung.
1. Zeitliche Fremdbestimmung
Zeitliche Fremdbestimmung am Arbeitsplatz ist ein häufiges Problem, das viele kennen. Zu wenig Zeit und zu viel zu tun. Es gilt von Meeting zu Meeting zu hetzen, Pausen werden gestrichen und Termine werden von außen vorgegeben. Auch aus meiner Zeit als Projektleiter kenne ich diese Situation nur zu gut. Man fühlt sich wie eine Flipperkugel und hat die Kontrolle über seine eigene Zeit verloren. Der Begriff Autonomie klingt wie aus einer fremden Galaxie.
Die Meetings und Arbeitszeit werden von anderen bestimmt, von Vorgesetzten, Kunden oder anderen Teammitgliedern. Das Gefühl der Fremdbestimmung wird immer stärker und der Spaß an der Arbeit nimmt konstant ab. Dies ist eine mentale Belastung und beeinflusst auch die Produktivität im Unternehmen.
5 Schritte für mehr zeitliche Selbstbestimmung
Flexiblere Arbeitszeiten: Implementierung von flexiblen Arbeitszeiten oder Home-Office-Optionen, um wieder die Kontrolle über die eigene Zeit zu bekommen. Dies ermöglicht auch eine bessere Work-Life-Balance und individuelle Zeitplanung. Davon profitieren beide Seiten – sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer.
Effizientes Meeting-Management: Einer der größten Zeitfresser sind unnötige Meetings. Die Reduzierung der Anzahl und Dauer von Meetings sowie eine klar definierte Agenda, sind wichtige Eckpfeiler, um die Zeit effektiver zu nutzen und unnötige Zeitverschwendung zu vermeiden.
Selbstmanagement: Die persönlichen Todos zu priorisieren und zu organisieren hilft enorm die Arbeitsabläufe zu optimieren und die Fremdbestimmung zu reduzieren. Den Tag mit einer persönlichen Checkliste zu beginnen, ist ein einfaches, aber effizientes Instrument. Es sind nur ein paar Minuten, die die Erstellung der Checkliste benötigt. Dafür bekommt man einen effizienteren Arbeitstag und das gute Gefühl wieder Kapitän seines eigenen Arbeitstages zu sein.
Nein-Sagen: Menschen, die niemandem einen Gefallen abschlagen können, kommen schnell unter die Räder. Deshalb ist es wichtig, Aufgaben, die nicht in den eigenen Arbeitsbereich fallen, konkret abzulehnen. Ein kleines Wort mit vier Buchstaben kann uns ein großes Stück Freiheit wiedergeben.
Pausen selbst gestalten: Jedes Unternehmen hat seine eigene Pausenkultur. Es gibt Unternehmen, wo Pausen immer in der großen Gruppe gelebt werden oder auch Unternehmen, wo Mitarbeiter ständig durcharbeiten. Beides kann zu Überforderung führen. Wichtig ist, auf seine eigenen Bedürfnisse zu hören.
2. Zielvorgaben von anderen
Häufig werden Zielvorgaben am Arbeitsplatz von Vorgesetzten oder externen Stakeholdern festgelegt, was die Eigenverantwortung einschränkt und zu dem Gefühl führen kann, fremdbestimmt zu sein.
Dies beeinträchtigt die Motivation und die Zufriedenheit am Arbeitsplatz enorm. Denn man kann sich mit den vorgegebenen Zielen nicht identifizieren. Für mehr Selbstbestimmung bei der Zielsetzung braucht es zwei Grundvoraussetzungen:
Partizipative Zielsetzung: Sich bei der Festlegung von Zielen einzubringen, schafft eine größere Identifikation und Motivation. Dies stärkt das Engagement und fördert die Eigenverantwortung. Um das zu ermöglichen, sind beide Seiten - sowohl Arbeitgeber und Arbeitnehmer - gefragt.
Klare Kommunikation: Transparente Kommunikation über die Gründe hinter den Zielvorgaben, um Verständnis und Akzeptanz zu fördern. Dies schafft Klarheit und vermeidet Missverständnisse.
Wenn der Arbeitgeber eine partizipative Zielsetzung nicht ermöglicht, kann man sich immer noch persönliche Ziele stecken. Auch dies kann zu mehr Motivation und Zufriedenheit führen.
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3. Inhaltliche Fremdbestimmung
In einem starren Arbeitsumfeld wird oft genau vorgegeben, was zu tun ist, ohne Raum für kreative oder innovative Ansätze seitens der Mitarbeiter. Doch eintönige oder starre Arbeitsaufgaben können die Arbeitszufriedenheit und das Engagement stark beeinträchtigen. Wenn dich diese Art der Fremdbestimmung belastet, gilt es, die Initiative zu ergreifen.
Job Rotation und Projektarbeit: Wo gibt es spannendere Aufgaben für mich bzw. wo kann ich mich im Unternehmen noch einbringen? Stelle dir diese Fragen und ergreife die Initiative. Jobrotation oder Projektarbeit bieten Abwechslung und bringen neue Herausforderungen. Dies fördert die Entwicklung neuer Fähigkeiten und hält die Arbeit interessant.
Skill-Entwicklung: Nimm dir Zeit und investiere in dich selbst und in deine Weiterbildung. Damit bekommst du auch mehr Verantwortung und Gestaltungsspielraum. Dies ermöglicht persönliches Wachstum und berufliche Entwicklung.
Für Führungskräfte gilt es den Mitarbeitern Vertrauen zu schenken und Verantwortung zu übergeben. Denn eine inhaltliche Selbstbestimmung führt auch zu einer höheren Produktivität und zu mehr Zufriedenheit.
4. Persönliche Fremdbestimmung
Was ist mit persönlicher Fremdbestimmung gemeint? Damit sind Gewohnheiten, Denkmuster und innere Antreiber gemeint. Die sorgen dafür, dass wir im Alltag nicht immer bewusst entscheiden. Ganz im Gegenteil, ca. 80 % unserer Handlungen und Entscheidungen passieren unbewusst. Das heißt, wir werden von unseren Denk- und Handlungsgewohnheiten fremdbestimmt. Es sind Muster aus der Vergangenheit, die über unseren heutigen Alltag bestimmen. Wir haben hohe Anforderungen an uns selbst und fühlen uns verpflichtet. Dies führt zu einem Gefühl der Fremdbestimmung und Ohnmacht.
Genau dies gilt es zu hinterfragen bzw. zu reflektieren. Nur durch bewusste Selbstreflexion lassen sich alte Muster aufbrechen und neue Handlungen etablieren.
Fazit
Die Reduzierung der Fremdbestimmung am Arbeitsplatz erfordert ein ganzheitliches und strategisches Vorgehen. Indem man zeitliche, inhaltliche, zielbezogene und persönliche Aspekte der Fremdbestimmung angeht, kann eine Arbeitsumgebung geschaffen werden, die Selbstbestimmung fördert.
Dies führt zu einer gesteigerten Zufriedenheit, Produktivität und einer langfristigen Bindung und Zusammenarbeit. Vor allem Unternehmen und ihre Führungskräfte sollten die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter ernst nehmen und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das auf Vertrauen, Partizipation und persönlicher Entwicklung basiert.
Gerne kann ich dich dabei unterstützen. Mit meinen Workshops sorge ich für mehr Resilienz und Zufriedenheit am Arbeitsplatz.
Interessiert?
Liebe Grüße
Karl
Foto: Foto von Austin Distel auf Unsplash
Danke für den guten Text! Allerdings habe ich das Gefühl, dass man nur mit NEIN die Selbstbestimmung haben kann. Was ist aber mit JA? Ich sage schon mittlerweile NEIN. Aber ich will ja auch JA gesagt bekommen, um mit meinen Zielen im Leben voran zukommen. Klar, kann man meinen, NEIN bedeutet JA zu was anderes. Aber das ist mir zu abstrakt. Ich meine konkret: wenn ich diesen Job will, wenn ich diesen Gehalt will, wenn ich eine Familie will, wenn ich diesen Termin will, etc. Und Versuche in die Richtung zu „arbeiten“. Ich habe das Gefühl, ich darf nicht auswählen. Sondern nur NEIN sagen zu das sagen, was andere von mir wollen. Aber dann bleibe ich auf „0“.
Hi Inge,
ja stimmt bevor man ja sagt muss man auch neien sagen können. Bevor ich einen neuen Job angehe muss ich den anderen kündigen. Entscheidend ist die bewusste Entscheidung. Sage ja zum neuen Weg und du kannst dich leichter vom Alten trennen.
Lg Karl
Lieber Martin,
recht herzlichen Dank für das teilen deiner Gedanken und deinen ehrlichen Erfahrungen.
Du hast recht, in gewisser Weise wird es absolute Selbstbestimmung niemals geben, da wir immer in einer Form mit Menschen agieren und von der Gesellschaft abhängig sind. Entscheidend dabei ist das Maß. Wie viele Entscheidungen treffe ich selbstbestimmt? Um so mehr Entscheidungen meiner Wertvorstellung entspricht umso geringer ist die Fremdbestimmung und umso höher das Empfinden der Autonomie und der Zufriedenheit.
Lg Karl